Alt, älter, am heißesten
Ein Tagebucheintrag über Zigaretten, Gleitgel und Lebensfragen…
Noch angezogen im schwarzen Business Anzug, der elegant, schmeichelhaft und enganliegend an den richtigen Stellen sitzt, öffnet er mir die Tür, wobei mir sein wohlriechendes Parfum ins Gesicht strömt. Wie ein Junkie auf Koks, zieh ich sofort seine männliche, verführerische Duftwolke tief in mich hinein und verspüre dabei ein unsagbar großes Verlangen nach mehr. Mit breitem, heiterem Grinsen strahlt er mich an und ich überschreite die knarrende Altbau-Holzschwelle, gehe rein zu ihm in die Wohnung. Himmel, wie stark wünsche ich mir in diesem Moment, dass er mich gegen die Tür drückt, seinen göttlichen Körper an meinen presst, meinen Hals mit leidenschaftlichen Küssen befällt und mir heiße, sündhaft schmutzige Worte ins Ohr flüstert. Wie sehr würde ich mir wünschen, ihn in diesem Augenblick von seinem Jackett zu befreien, doch hätte er dies nie zugelassen. Nein, er würde meine beiden Unterarme mit einer Hand über meinem Kopf an der Wand fest fixieren und mir mit seiner anderen freien Hand zwischen die Beine fassen. Kochend rot vor lauter Hitze in Bauch, Hals und Kopf und kaum noch zum Stehen fähig, wäre ich ihm bedingungslos ausgeliefert…
Nun aber Contenance! Du bist hier bei einem erwachsenen Mann, was soll er bloß von dir denken, wenn du hier einen auf schwärmerischen Teenie machst. Benimm dich, sei freundlich, locker und entspann dich doch mal. Willst es ihm doch auch nicht zu leicht machen, oder?... Diese vielen lautschreienden Stimmen schallen mir durchs Hirn. Bemüht, der inneren Erregung und dem dadurch provozierten Schwindel nicht dachzugeben, versuche ich nebenbei die Schuhe ordentlich auszuziehen. Wein oder Wasser erklingt es aus der Küche und ich stehe vor dem nächsten Gedankenchaos. Her je, nehme ich jetzt ganz ladylike den erwachsenen Wein oder bleib ich doch beim einfachen Schluck Wasser? Doch er hat schon für mich gewählt und so steht ein wunderschön gemustertes Glas Weißwein auf dem Küchentresen, zu dem ich mich hinbegebe. Er steht derweil am offenen Fenster, raucht seine Zigarette zu Ende und fängt locker an zu Plaudern. Ich schaffe es sogar zu antworten, doch wandeln meine Gedanken durch den ganzen Raum zwischen uns umher: vom Zuhören der Hintergrundmusik, die er aufgelegt hat, über das Wahrnehmen des Tabakgeruchs bis hin zum Spüren meiner zunehmend feuchtwerdenden Körpermitte. Blanker Rauschzustand! Und trotzdem sitz ich noch aufrecht auf dem verdammt hohen Designer Barhocker. Mit einem Mal steht er neben mir, weiterhin mit diesem attraktiven und souveränen Lächeln im Gesicht, und legt seine Hände an meine Wangen. Er küsst mich. Viel Zeit bliebe nicht, denn ich müsse ja gleich schon wieder weiter, sagt er mir mit tiefer, gebieterischer Stimme und genau in diesem Moment bereue ich es, nur eine Dreiviertelstunde für ihn eingeplant zu haben. Küssend nimmt er mich mit einem Ruck vom Hocker hoch, zieht mich in den nächsten Raum, wo wir schwankend und einander festhaltend zum Bett streifen. Dabei fragt er, was er heute alles mit mir machen dürfe, und ich bin zu keiner anderen Reaktion fähig, als ihm lustvoll ein "Alles" zu antworten. Schon falle ich mit dem Rücken aufs Bett und spüre im gleichen Zug seinen warmen schweren Körper auf mir. Mein Blick fällt zur Seite, da er mir nun endlich die lang ersehnten Halsküsse aufträgt, und ich sehe auf seinem Nachttisch eine Flasche Gleitgel und den rotschwarzen Flogger bereitstehen. Göttlich, verdammt!
Er ist einer, bei dem man sich wohlfühlen kann. Nie ist es langweilig, unangenehm still oder angespannt. Er ist einer zum Loslassen-Können, zum Hinübergleiten in feuchte und erfüllende Träumereien. Doch ist er auch einer, der wesentlich älter ist als ich, der in ganz anderen Lebenssphären steckt, der in und mit einer anderen Zeit aufgewachsen ist, der sein eigenes Leben führt, der… so richtig erwachsen ist. Na gut, mag ich laut Personalausweis auch sein, aber innerlich? Was und wer bin ich eigentlich, was habe ich schon zu bieten? Er ist einer, bei dem ich gerne bin… doch halten mir unsere Treffen auch immer wieder den Spiegel vors Gesicht. Oft ertönt ein stark betontes "crazy" aus seinem dabei schmunzelnden Mund hervor, wenn wir auf unseren Altersunterschied zu sprechen kommen. Den nehme ich allerdings nie als so extrem wahr und habe es auch bei anderen Männern nie getan. Mir kam es immer nur auf den Menschen, auf die Chemie an. Warum ist das für die Außenwelt so schwer zu verstehen? Wen, was oder wie man liebt oder begehrt sollte doch in dem Kontext irrelevant sein… Hauptsache man tut und fühlt es! Ein Leben ohne all das will und kann ich mir garnicht vorstellen. Wie wunderschön ist es, wenn man dann doch mal auf gleichgesinnte Menschen stößt und sich gemeinsam nach allen Regeln der Kunst ausleben kann und darf!
Stunden später schreibe ich ihm noch kurz, wie gut es getan hat und nur drei zustimmende Wörter von ihm reichen aus, um mir klarzumachen, wie verrückt das Leben spielen und sein kann: "short but intense!"