Das Leben ist ein Plattenspieler

05.02.2024

Wenn dich Dr. Jekyll und Mr. Hyde zum Tanz auffordern …

Wie ich diese Kaugummi-Tage doch hasse! Es fängt alles gut an, der Geschmack eines produktiven und mutigen Tages liegt einem auf der Zunge und man hat das Gefühl, alles heute erreichen zu können, so richtig auf den Putz zu hauen, es krachen zu lassen und jedem Menschen, der einem entgegenkommt, freudig zuzulächeln. So gehe ich früh morgens los aus der Tür, atme die frische Luft tief ein und marschiere drauflos, rhythmisch zu "Life is a highway", aus dem Kinderfilm Cars. Und ja, ich sehe Kinderfilme immer noch. Wer will denn schon den Erwachsenenmist um sich haben! Hier und da tut es gut mit Songs aus der Kindheit den Tag anzufangen, besonders mit Soundtracks von Disney und Pixar oder mit der Stimme von Barbie. Wie damals schon kräftigt es einen auf idyllische Art und Weise - der erwachsene Kaffee darf allerdings auch nicht fehlen! Es ist dieser Moment, wo man die Welt umarmen möchte und jedes Mal wacht da in mir ein tiefes Bauchgefühl von Dankbarkeit auf. Dass man bloß da ist, dass man Freunde und Familie hat, dass man gesund ist und das Privileg hat, in sicheren Verhältnissen zu leben. Es ist einfach zum Bäume umarmen! Tja, und wenn die Welt dich aber nicht umarmen möchte? Oder der Baum einen auf die peitschende Harry Potter-Weide macht und dich grün und blau schlägt? Wenn das Ich sich von der einen Minute zur Nächsten um 180 Grad wandelt und es nicht mehr die Schritte nach vorne setzen will. Was machst du dann?

Diese Schwankungen durchlebe ich leider viel zu oft. Und nein, das liegt verdammt nochmal nicht an meiner Periode! Mir selbst ist es oft unklar, warum ich jetzt gerade so empfinde und in einer halben Stunde die völlige Kehrtwende mache. Es ist leider nicht wie beim Segeln, wo der Steuermann "Klar zur Wende?!" ruft und man noch die kurze Gelegenheit bekommt, "Nein!" zurück zubrüllen. Wenn das so leicht wäre! Aber das Leben scheint da ziemlich sauber und pervers gradlinig seinen Strich durch die Rechnung zu ziehen. Es ist unglaublich fies, dass gerade die schönen, lebensbejahenden Momente in einer Schnelligkeit vorbeigehen. So gerne ich ihnen die Hand gebe oder sie in den Arm nehme, festhalten kann ich sie nicht und Erinnerungen an sie haben mich schon immer eher schwermütig als freudig gestimmt. Kann die helle Seite des Lebens nicht etwas mehr vom Schneemann Olaf haben, der so sehr auf Umarmungen steht? Ich glaube die Welt wäre mit diesem Zauber eine andere, so herrlich bunter.

Vom aufregenden Highway schwankt es dann auch in meinen Kopfhörer um: die Stones mit ihrem "you can´t always get what you want", George Michael mit seinem "Freedom" und die großartige Amy mit "Back to black". Der Tag zieht sich wie Kaugummi und von Geschmack kann längst nicht mehr die Rede sein. Wenn es dann auch noch regnerisch ist, die U-Bahnen voll mit gehetzten Menschen sind, du angerempelt wirst, umzingelt von schreienden Kinderwägen bist, in der Uni null Konzentration für die Vorlesung hast und mit leerem Hirn und Magen dich nachhause schleppst, Jackpot! Tja, und was machst du dann? Was jeder von diesen normalen Menschen machen würde: Schuhe aus, Decke drüber, Licht aus. Klappe zu, Affe tot. Aber halt mal, wenn das jeder "Normale" machen würde, welche lebenden Affen gibt's denn dann überhaupt noch? Wie schaffen die es, solche Tage zu überstehen?

Und schon wieder ein kleiner Disney Flashback ins Dschungelbuch. Balu probiert es mit Gemütlichkeit… könnte ich ja auch mal versuchen, aber herumtanzen pack ich jetzt nicht, tut mir leid Balu. Stattdessen knipps ich die Lampe wieder an, mach einen kurzen Abstecher beim Kühlschrank und setz mich mit Tee und Pudding ins Bett, zünde ein Kerzchen an und lese in meinem Buch weiter. Uff, fühlt sich gar nicht mehr so dunkel an. Aber was mach ich nur, wenn der nächste Tag hereinplatzt und mich aus dem Bett scheucht? Wobei er könnte mich ja auch wie Dornröschen liebkosend wecken und mir ein neues Leben darlegen. Neben den ganzen märchenhaften Fantasien und Songs aus der Kindheit, erinnere ich mich an einen überlebenswichtigen Gegenstand zu jener Zeit: das Lillifee-Nachtlämpchen in der Steckdose an der Wand zur Tür. In der Dunkelheit leuchtete es in einem angenehmen, warmen gelben Licht und gab mir ein sicheres Empfinden, einen inneren Frieden und Ruhe zum Einschlafen. Es war immer da. Mm, wenn es mir so gutgetan hat, warum habe ich es dann aus dem Stecker gezogen? Ach, stimmt ja, sonst wäre ich in der Grundschule der absolute Loser gewesen. Diese steckerziehende Gesellschaft macht mich langsam krank! Wo soll das denn hinführen, wenn Missachtung und Feindlichkeit im Kindergarten schon gedeihen, später sich dann alle gegenseitig unter Druck setzen und mental nur noch mit platten Reifen durchs Leben fahren? Nein, da muss es eine Abzweigung geben, den Weg will ich nicht gehen. Oder doch einfach wieder zurück ins Bett? Jedoch lieg ich dann unruhig und ungewiss herum, auch zum Kotzen! Da lag Virginia Woolf richtig mit, als sie sagte "Man findet keinen Frieden, wenn man das Leben meidet". Also du Affe, gleich morgen wird eine neue Lampe gesucht. Wer weiß, vielleicht wird es dieses Mal ja ein großer prächtiger Kronleuchter werden. Die Lillifee kann ich mir ja auch so noch vorstellen. Wie von ihrem Zauberstab berührt, fallen mir nach diesem langen Tag die Augen zu.

"Ein neuer Morgen, ein neues Leben, ein junges Herz, ungezügelt und verwegen", so schallt mir der Song aus Spirit- Der wilde Mustang am nächsten Morgen durch den Schädel und schenkt mir die nötige Kraft, wieder tiefeinatmend den Schritt nach vorne zu wagen. Neue Platte, neues Glück, denk ich mir. Mit Blick auf den Tagesverlauf schau ich freudigen Herzens auf das Kaffeetreffen mit Freunden, das Seminar bei der Lieblingsdozentin und auf die gemütliche Bett-Buch-Tee Zeit am Abend. Mit Mia Farrows Wortlauten "Finde Dinge, die leuchten und suche ihre Nähe" wird mir klar, dass ich definitiv auf der Schattenseite des Lebens stehen bleiben würde, wenn es bestimmte Menschen an meiner Seite nicht gäbe und dass ein Leben ohne Musik ein furchtbares Drecksloch wäre! Ich muss die Dunkelheit in Kauf nehmen, das sehe ich ein. Aber nur durch sie kann man die winzigen, an einem vorbeifliegenden Glühwürmchen sehen und sich wie ein kleines Kind an ihnen erfreuen. Ich bin aus tiefstem Herzen dankbar für jedes menschliche Glühwürmchen in meinem Leben und wenn ich gleich aus der Tür gehe, wird erstmal der nächste Baum umarmt. Auf Teufel komm raus! 

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