Dich sollte ich treffen

25.03.2024

Ein Tagebucheintrag über Schicksalsküsse und das Hungergefühl der Haut…

Diese drei Tage gaben mir alles, was ich brauchte. Einen Hauch von Aufregung, ein Tupfer Sexyness, einen Kescher voller Schmetterlinge, ein bis zum Rand gefüllter Eimer voller Vorfreude, ein Tässchen Mut mit einem Schuss von Eroberungsgefühl und ein fast platzender Kanister feuchter Fantasien. In jenen 72 Stunden fühlte ich mich so lebendig wie nie zuvor und kein anderes Mal hat es mir so viel Spaß bereitet, einfach ich zu sein und mein Leben mit Erfahrungen auszumalen. Ganz ohne diese lästigen Gedanken, was bloß die anderen von mir denken könnten, traf ich mich mit drei so unterschiedlichen Typen an drei verschiedenen Orten. Es ähnelte einem Adventskalender, jeden Tag ein Türchen, über das man sich freuen kann. Und wie habe ich mich gefreut! Es war bei jedem Mal das erste Treffen und schon beim ersten Kerl war es so, als wäre das ganze Zurechtmachen, der Weg hin zum Date, die Nervosität, weil man nicht weiß, was kommt und was man sagen soll, ganz alltäglich für mich. Ich erinnere mich aber auch an manche Treffen, die völlig anders verliefen. Wo es mir kurz vorher so schlecht wurde, dass ich viel lieber ein Date mit der Kloschüssel gehabt hätte als mit dem Typ. Wenn's einem innerlich so anders wird, der ganze Körper sich gegen das Treffen richtet und den Geist zwingen will, ins heißgeliebte Bett zu hüfen und nicht die Zeit mit einem Unbekannten zu verschwenden. So kann Aufregung auch aussehen. Eine die dich dazu bringt, alles an dir mit einem Schlag anzuzweifeln, dich minderwertig zu fühlen, dich nicht hübsch genug zu finden und die dich davon überzeugen will, als alte verschrumpelte Jungfrau zu sterben. Wo jeglicher Lebenswille, die Kraft zum Aufblühen und Genießen der eigenen Jugend ähnlich wie Bambis Mama mit einem Knall verschwindet und nicht mehr auftaucht. Das Einzige, was dann bleibt ist das Einreden, es ginge auch ohne Männer, ohne Liebe und Zärtlichkeit, ohne Spaß und Freude an nackter Verschmelzung. Aber ehrlich, für mich funktioniert so ein Leben nicht. Nicht, mit der Erinnerung an diese drei Tage.

Mit dem ersten ging ich im Univiertel spazieren. Schon beim ersten Blick und der ersten Berührung wusste ich gleich, Jupp das passt. Entspannt und locker zogen wir nachmittags durch die Straßen, schlürften genüsslich unsere Kaffees to go und lächelten sowohl einander an als auch die warmen frühlingshaften Sonnenstrahlen, die uns beide wie zwei Hauptrollen in einem Hollywoodfilm beleuchteten. Und genauso fühlte es sich an. Als wären nur er und ich in dieser Stadt. All der Lärm drum herum verschwand für ein paar Stunden. Nichts bekam ich wirklich mit außer seiner sympathischen Stimme, die mir allerlei wirklich interessante Dinge über mein Gegenüber erzählte. Kein Geschrei von den Äffchen auf dem Spielplatz, kein Gehupe von protzig polierten Porscheautos und kein Hämmern von irgendwelchen Baustellen. Nicht mal das Schlagen der Kirchglocke, an der wir vorbei gingen, nahm ich wahr und auch nicht den üppig großflächigen Kaffeefleck auf meiner Bluse. Mit dem Schwappen der Freude in meinem Herzen konnte der Kaffee im Becher anscheinend nicht mithalten. Irgendwann gelangten wir an die Ecke der Ecken eines jeden Dates, wo man entweder in getrennte oder in dieselbe Richtung weitergeht. An dieser Ecke platzierte das Schicksal ein kleines Bistro und so fragte er mich, ob wir dort noch ein Bier trinken oder die Straße runter zu ihm gehen wollen. Ich sehe jetzt noch seinen Blick, worin eine ruhige Fröhlichkeit steckte. Wahrscheinlich hat mich genau das dazu ermutigt, das Angebot eines Gläschen Weins bei ihm in der Wohnung anzunehmen. So gingen wir die Straße runter, zu ihm hoch in den vierten Stock und tranken tatsächlich Wein. In irgendwelchen romantischen Komödien wäre es statt des Alkohols bestimmt direkt zum Wanderweg Tür-Flur-Tür-Bett gekommen. Aber bei uns wars ganz "anständig" ein Weiterfesthalten an der Konversation. Mag langweilig erscheinen, aber es tut auch mal gut, sich wirklich tief und ohne Anstrengung mit jemanden zu unterhalten. Ist ja nicht mehr so selbstverständlich in der heutigen Zeit Epoche. Worüber gesprochen wurde, kann ich nicht mehr sagen und die Themen aufzuzählen wäre auch ein ziemlicher Kraftakt. Allerdings kann ich mich an einen Satz ganz genau erinnern. Der ganze Moment wird mir ewig in der Seele bleiben. Wir saßen auf dem Bett. Die Gläser hatten wir schon seit einer Weile beiseitegestellt und mit einem Mal richtet er seinen Oberkörper zu mir hin, legt seine Hand ganz sanft auf mein rechtes Knie und sieht mir in die Augen. Kurzer Atemstillstand, ein heiß hochsteigender Feuerball im Hals und das rot brennende Gefühl auf den Wangen. Wie könnte ich das vergessen. Ähnlich wie das Empfinden des Stoßens des kleinen Zehs an der Tür, das vergisst man ja auch nie. "Und tauge ich dir?". Angestrengt versuchte ich einen Satz zu bauen und auszusprechen, denn unsere Gesichter waren schon so dicht beieinander. Ein einfaches "Ja" rutschte mir über Herz und Lippen und so küssten wir uns. Sanft, entspannt und wohltuend wie sein Wesen und Charakter es waren, berührte er mich und ließ mich die nächsten zwei Stunden alle Sorgen und jeglichen Stress vergessen. Es tat so gut, die nackte Haut des anderen zu fühlen, ihn zu schmecken und sein ganzes warmes Körpergewicht auf mir liegen zu haben. Auf dem Rückweg schwelgte ich in Flashbacks und lief breitlächelnd und federleicht über die Gehwege.

Am folgenden Nachmittag holte der Fremde mich am Bahnhof ab. Ich stieg in seinen Wagen und wir cruisten ein wenig durch die Gegend. Dabei sprachen wir nicht viel und das war auch garnicht unangenehm. Die Landschaft, durch die er mich fuhr, wirkte beruhigend auf mich ein und ich hatte das Gefühl, ihn schon zu kennen. An einem abgelegenen Rasenplatz parkten wir und gingen ein Stück weit durch den Wald. Er erzählte mir, dass er hier oft mit Freunden aus der Schulzeit war. Fand ich irgendwie niedlich, dass er mir das von sich berichtete. Die Bäume wurden weniger und so offenbarte sich vor uns ein kleiner angelegter See. Das mitgebrachte Handtuch schlug er aus und legte es zu Boden, ebenso die zwei Flaschen Spezi und die Tüte mit Brezeln. Ich setzte mich zu ihm, während er sich eine Zigarette anmachte. Der Rauch hat mich noch nie bei einem Kerl gestört, ich find's eigentlich ganz angenehm. Kommt zwar immer auf den Tabak auch an, aber bisher ist mir keiner unter die Nase gekommen, wo es mich angewidert hätte. Ganz locker saßen wir in der Sonne, hörten dem leichten Vogelgezwitscher zu und beobachteten den Wolkengang. Ich schaute irgendwann zu seiner Seite rüber und bemerkte erst da, dass er sich schon auf den Rücken gelegt hatte. Wie ferngesteuert legte ich mich zu ihm auf den Boden, allerdings auf die Seite und er kam mir direkt entgegen, so dass wir wie zwei Löffelchen in der Schublade nah beieinander lagen. Seinen wärmenden Körper von hinten zu fühlen war ein echt gutes Gefühl und auch hier entspannte sich mein Körper. Alle Spannungen lösten sich und meine Seele fühlte sich pudelwohl. Mein Kopf lag auf seinem linken Arm und seine rechte Hand spürte ich auf meiner Hüfte. Ich sah die vorbeifliegenden Vögel am Himmel über uns, nahm die leichten Küsse auf meinem Hals wahr und drückte meinen ganzen Körper gegen seinen. Nichts hätte mich dazu gebracht, diesen innigen Moment zu unterbrechen. Kein Wolkenbruch, keine vorbeikommenden Menschen, keine krabbelnden Insekten und auch nicht die Härte des Bodens. Es war das erste Mal für mich, mit einem anderen Menschen unter freiem Himmel so innig zu sein, wie zwei Menschen es sein können. Niemals werde ich den leichten Wind, der über unsere nackten Körper streifte und die milden Sonnenstrahlen, die uns wärmend einhüllten, vergessen. Nachdem er mich zuhause wieder abgesetzt hatte, zog ich mich um, wobei mir ein zwei kleine Steinchen aus der Hose fielen. Schmunzelnd hob ich sie auf, hielt sie fest, legte mir die Hand auf die Brust und sah aus dem Fenster. Danke, dachte ich und lächelte noch weitere Stunden vor mich hin.

Das dritte Date startete etwas nervenraubend, denn auf dem Weg zu seiner Wohnung fiel mal wieder die Bahn für eine ganze halbe Stunde aus. Es ärgerte mich, ihm schreiben zu müssen, dass ich mich verspäte. Nichts mag ich weniger, als zu spät zu Verabredungen zu kommen. Angewidert von den vielen Menschen um mich herum und sowas von angeturnt von dem bevorstehenden Treffen, saß ich da eine Zeitlang fest. Doch sobald ich das Weiterfahren des Zuges wahrnahm, entspannte sich mein Inneres und wieder war ich ganz vertieft in Gedanken an den jungen Mann, den ich in wenigen Minuten treffen sollte. Als ich vor seiner Tür stand, das Namensschild auf der Klingel drückte und mich in der Spiegelung vor der Tür nochmal kurz richtete, kam mir ein komisches Gefühl hoch. Ich sah da mein Gesicht und dachte an die vergangenen 48 Stunden. Wie eine Biene war ich von einer Blüte zur anderen geflogen. War das richtig so? War das den anderen beiden fair gegenüber, dass ich jetzt vor der Tür eines Dritten stand? Zu weiteren Vorwürfen sollte ich später an diesem Tag noch kommen, doch ich bemerkte das aufmachende Klick Geräusch des Türschalters, ging ins Haus, hoch in den dritten Stock und erblickte den bereits in seiner Wohnungstür stehenden Typ. Ein so hinreißend schöner Mann, dessen Erscheinungsbild mir mit einem Mal alle Zweifel und behaglichen Gefühle in meinem inneren Ring weg boxte. Ich trat ein, zog Schuhe und Jacke aus, setzte mich direkt auf sein Bett und nahm das Glas Wasser entgegen, das er mir gab. Dann hackten wir ganz kontrolliert Themen wie Wetter, Studium, Freizeitaktivitäten und Lieblingssongs ab. Unkontrollierter wurde es dann, als er näherkam und mir sein Parfum in die Nase strömte. Da wars vorbei. Ich stellte selbstsicher das Glas am Boden ab, dreht mich wieder zu ihm und wir küssten uns. Und auch hier wieder ein Empfinden des "sich-schon-kennen". Mit ihm lief das Austauschen von Leidenschaft und Zärtlichkeit wie am Schnürchen. Unsere Körper harmonierten wie ein Leonard Bernstein Orchester und es fühlte sich an, als würden wir Beethovens 5. Symphonie versinnbildlichen. In völliger Ekstase lag ich unter, auf und neben ihm und wie ein wütendes Gewitter ergoss sich in mir eine Lust wie noch nie zuvor. Zu sehen, dass es ihm nicht anders ging, verstärkte es nur noch mehr und so endete der dreitägige Dating Sprint mit Schweiß, roten Flecken am Hals und Dekolleté Bereich und einem großen lustvollen Hunger nach mehr.

Keine der drei Begegnungen bereue ich heute. Sie haben mir deutlich gemacht, was ich möchte und wie ich es möchte. Ich bin froh, dass ich das alles mit drei verschiedenen Menschen erlebt habe, und ich werde mich deswegen auch nicht schlecht fühlen. Ganz egal, wie oft ich während des Erzählens davon in stirnrunzelnde Gesichter schauen muss. Es betrübt mich und bringt mich auf die Palme, dass die Entscheidung zu einer freien Liebe heute immer noch naserümpfend begutachtet wird. Und vor allem wenn diese Lebensweise (von uns Frauen, denn bei Männern wird's ja gesellschaftlich akzeptiert) dann zu den Akten der sozial Geächteten eingeordnet wird. Es sollte für jeden Menschen die Möglichkeit bestehen, das Innere offen und ohne Hemmungen zeigen zu können. Ein so wichtiger Teil unseres Daseins darf nicht unter den Tisch gekehrt werden. Jeden Tag lerne ich, dass aus dem Vorgang der Verdrängung nichts Gutes bei rauskommt. Wie soll sich die Welt in einen besseren Ort umwandeln können, wenn wir nicht damit anfangen, einander zu akzeptieren, zu respektieren und wertzuschätzen? Die Vorstellung, alle könnten sich so zeigen, wie sie sind und wie sie sein möchten… es wäre das großartigste Orchester auf Erden!  

Wir verwenden Cookies, um das einwandfreie Funktionieren und die Sicherheit der Website zu gewährleisten und eine bestmögliche Nutzererfahrung zu bieten.

Erweiterte Einstellungen

Hier können Sie Ihre bevorzugten Cookie-Einstellungen anpassen. Aktivieren oder deaktivieren Sie die folgenden Kategorien und speichern Sie Ihre Auswahl.

Die essentiellen Cookies sind für das sichere und korrekte Funktionieren unserer Website und den Registrierungsprozess unerlässlich.
Die funktionellen Cookies speichern Ihre Präferenzen für unsere Website und ermöglichen eine individuelle Anpassung.
Die Performance-Cookies stellen ein angepasstes Funktionieren der Website sicher.
Die Marketing-Cookies ermöglichen es uns, die Leistung unserer Website zu messen und analysieren.