Die, mit dem Holz vor der Hütte

12.11.2023

Schwarzeneggers Muskelaufbau ist ein Witz im Vergleich zu meinem Brustwachstum, das kann ich sagen! …

Von der Größe einer Erbse zur Dimension einer Wassermelone, so wuchsen meine Brüste innerhalb weniger Jahre heran. Anfangs trug ich noch mit Stolz den BH meiner Cousine, orange mit weißen Punkten und der Körbchengröße A. Vier abscheuliche Jahre später konnte ich nur noch online passende BHs finden, denn unter die "Normalsterblichen" Mode-Frauen mit Größen zwischen A-D fiel ich schon lange nicht mehr. In der letzten Zeit vor dem Tag der Erlösung, meiner Brustverkleinerungs-OP, sprach ich zu der über 1,5kg schweren Masse vor mir…

Sagt mal, warum hängt ihr bloß immer so rum? Könnt ihr nicht einmal aufrecht stehen, mir nicht bei jeder Bewegung im Weg sein? Müsst ihr mich so hässlich und fett vor allen anderen aussehen lassen und mich an jeder Stelle zwacken und stechen? Mit welchem BH seid ihr endlich mal zufrieden? Weshalb lasst ihr dieses permanente, aus eurer Form Geschwappe nicht sein? Macht euch nicht so breit, ich kann mich kaum noch strecken, geschweige denn atmen. Merkt ihr nicht, wie schwer ihr auf mir lastet?

Hört mal, meine Gedanken sind nicht euer Schlachtfeld, also lasst mich in Frieden mit eurem Terror. Könnt ihr nicht endlich aufhören zu wachsen, ich kann es nicht mehr mitansehen. Was gibt euch das Recht, mir so wehzutun? Müssen wir Feinde sein? Tagsüber streiten wir und nachts kann keiner von uns richtig zu Ruhe kommen. Ihr liegt mir unbequem im Weg und ich gebe euch nicht genug Platz. Seid doch ehrlich zu mir und zu euch selbst, wie soll es mit uns weitergehen?

Seht doch, zu was ich geworden bin. Klein, krumm und grau. Verkrochen, eingesperrt, mit XL-Kleidung und Wassermelonen-Tragetaschen-BHs ausgestattet. Bemitleidet, verurteilt, ausgelacht und aufgezogen. Und seht, was ihr mir genommen habt. Tanzen war doch einmal unser großer Traum, erinnert ihr euch? Wie schön und glücklich wir in jenem Kleid aussahen, wisst ihr noch?

Nun gebt doch zu, dass ihr gerade auch betrübt in den Spiegel schaut. Meint ihr, wir sehen so akzeptabel aus? Oder ziehen wir lieber doch den größeren Pulli an? Aber den Schwarzen, der lässt uns noch halbwegs schlanker auftreten. Nur geht dann überhaupt noch die Jacke zu?

So jetzt aber mal ehrlich, empfindet ihr nicht diese Angst, gleich vor die Tür zu gehen? Versetzt es euch nicht in Panik, zum Date hinzugehen? Seid ihr nicht besorgt, was alles passieren könnte? Nein? Ist es etwa möglich, dass euch die Blicke geil machen? Seid ihr ehrlich heiß auf die sabbernden perversen Typen? Erregen euch etwa die widerlich schwitzigen Hände? Nein, ihr schweigt und lasst es geschehen und über euch ergehen.

Heute, mit einem Kilo leichter auf der Brust und endlich mit der Sicht auf meine eigenen Zehen, kann ich mich im Spiegel anschauen und sagen, das bin Ich, hier ist mein Leben. Alles davor ähnelt einem Nebel, der ab und zu noch über mich hinweg zieht und wonach ein strahlendes Licht in mein Gesicht fällt. Das Licht des Mutes, des Selbstvertrauens und Bewusstseins, das mir bis zum 18. Lebensjahr verdunkelt wurde.  

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