Valentinstags Grüße an das eigene Herz

19.02.2024

Wer pumpt so spät bei Nacht und Wind?...

Es ist Mitte der Woche. Busse und Bahnen fahren nach den Karnevalstagen wieder normal nach Plan, vereinzelt macht man noch die Begegnung mit verkaterten Piraten, Clowns oder in Tierkostümen steckenden Menschen und von den Spielplätzen hört man die Faschingsferien-feiernden Kids. Ich geh durch die Straßen, will eigentlich nur in Ruhe einkaufen gehen und dann mit einem Mal… Batsch. Mit einem Mal knallt mir so ein verdammt praller Herzchen Luftballon ins Gesicht. Das junge Mädchen dahinter bringt nur ein verschwitztes Sorry über ihre bis zu den Ohren grinsend verliebten Lippen hervor. Mein erster Gedanke, seit wann hat der Clown von ES denn bitte einen roten Herzluftballon? War der nicht normal rund? Verstört geh ich weiter. Mit der Hand am Kopf und der Hoffnung, dass dieser Schlag keine großen Schäden verursacht hat, werde ich plötzlich von einer Truppe grölender, männlich heranwachsender Menschen aus den Gedanken gerissen. Alle stehen sie in Schlange vor dem kleinen Blumenladen. Ein äußerst befremdliches Bild, Männer in solchen Massen außerhalb eines Fußballstadions zu sehen. Und wie bei ihren 90-minütigen dem-Ball-hinterhergucken-Dates, waren alle möglichen Altersgruppen und Nationalitäten vertreten. Von Fußbällen zu Blumen, habe ich da irgendwas verspasst? Um mich zu vergewissern, sehe ich lieber nochmal aufs Handy. 15:20Uhr, 14. Februar, Mittwoch, das Jahr 2024 und eine Aufforderung von Snapchat, Valentinstags Grüße zu verschicken. Der Groschen fällt und mit ihm der Gedanke, wie billig doch das Single-Leben ist. Nach einem schnellen Sprint durch den Rewe, der vor lauter Herzschokolade und verfrühten Osterhasen fast aus seinen Nähten platzt, wage ich mich auf den Rückweg und denke nur, du liebe Zeit, da braucht es dermaßen Marketing und Überangebote, damit die Menschen ihre Liebe zueinander beweisen können! Mit Hass auf die Menschheit und einer dunklen Wolke über mir steig ich in die S-Bahn und schwanke zwischen Neid und völliger Gleichgültigkeit. Diese hormongestörten Rotbäckchen brauchen einen ganzen Tag, um allen anderen zu beweisen, dass sie es können, dass sie es geschafft haben, diesen einen verdammt gut passenden Menschen zu finden. Ich packs ja nicht einmal, richtig sitzende Schuhe zu finden! Wie soll das mit lebendigen Wesen gehen? Immerhin habe ich Instagram als Verbündeten, der mir 1000 Posts über Valentinstags Szenarien als Single anzeigt: ein XXL-Bett mit einer unzumutbaren riesengroßen Pizza, umstellt von zig Kerzen und auf dem größten Flachbildfernseher überhaupt das Intro der Gilmore Girls. Ein Träumchen!

Neben mir sitzt eine Truppe aus vier älteren Damen, die sich vergnügt, mit kleinen Rotkäppchen Sektflaschen in den Händen, über ihre Feiertagsunternehmungen unterhalten. Da durchbricht plötzlich ein kleiner Sonnenstrahl mein düsteres Wölkchen und hellt mein Gemüt auf. Ich schaue rüber aus dem Fenster und sehe ein junges Paar am Bahnsteig sitzen. Sie hält einen wirklich schönen Blumenstrauß in der Hand und er umschließt mit beiden Händen ihre noch freie Hand. Frei von Neid und Wehmut steig ich aus. Dieser winzige Moment inniger junger Liebe, das feuchtfröhliche Gegacker der älteren Ladys, die männlichen Blumeneinkäufer und sogar der Herzluftballon berühren mich an diesem Nachmittag auf eine Art und Weise, dass sich in mir der Wunsch nach einem 365 Tage andauernden Valentinstag weckt. Und ich überlege, was hat mich dazu gebracht, der Liebe keinen Platz im Leben zu geben? Durch was entstanden die Mauern um mein Herz herum und warum habe ich das zugelassen?

So freudvoll, lustig und sonnenscheinhell das Leben sein kann, immer gibt es auch diese fiesen, zerreißenden Tage und Situationen, die dich an den tiefsten und dunkelsten Grund hinabziehen. Die Luft zum Atmen bleibt dir aus, das Herz zersplittert in Millionen kleinster Scherben, die deine Eingeweide von innen zerschneiden. Man müsste eigentlich meinen, dass ab einem gewissen Punkt der Herzschlag endgültig aussetzt und dass die Pumpe ab einem bestimmten Augenblick nie wieder Luft und Leben in einen hinein befördern kann. Doch nichts auf dieser Welt hört einfach so auf. Immer wieder verlieben wir uns. Manchmal entdecken wir dabei etwas ganz anderes und manchmal finden wir uns in der gleichen Scheiße wieder, lieben es aber dennoch aufs Neue. Ich bewundere die Menschen, die dazu fähig sind. Das Wiederaufstehen, das Weiterkämpfen und das Wiederlächeln. So gerne ich die Sonne in mein Leben lasse und in ihrem Licht tanze, eine große Angst vor Verletzung steckt da tief in mir und sie ist es, gegen die ich jedes Mal den eigentlichen Kampf führen muss. Nichts anderes kostet mich so viel Kraft, Energie und Nerven. Da entscheide ich mich oft dafür, einfach mit plattem Reifen weiterzufahren. Wenn ich liebe, dann aus vollem Herzen. Doch wenn ich das tue, dann habe ich bisher immer einen Punkt erreicht, wo die Liebe unerträglich wurde und wo sie mir die Kehle zuschnürte. Nein, dann doch lieber einen auf Davy Jones machen und das wabbelige Ding in einer Truhe im Sand begraben. Wer weiß, vielleicht buddelt es ja ein umwerfend heißer Jack Sparrow wieder aus.

Hedwig Dom sagte "Die Liebe ist ein Feuer: Sie leuchtet, wärmt, glüht, zerstört und sie schafft". All das zeigt sich in unserer Welt, denn wir lieben und hassen, wir lachen und weinen, wir zerstören und bauen wieder auf. Mit einer sehr engen Freundin habe ich mich erst kürzlich genau da drüber unterhalten und so langsam versuche ich das zu verinnerlichen. Es gibt immer das Gute und das Schlechte. Nur Positives kann es nicht geben. Beides in Kauf nehmen oder garnicht leben und alles verpassen, was das Leben ausmacht. Mm, na da hol ich doch lieber gleich mal die Schaufel, buddel mein Herz selbst aus dem Sand und höre auf, auf den Prinzen zu warten – Karten und Kompasse lesen kann ja sowieso keiner mehr, da vergammelt mein Herz am Ende noch in der Schatztruhe! Ich freue mich für jeden Menschen, der sein Glück findet, egal in welcher Art und Weise jenes Glück in Erscheinung tritt. Für mich selbst muss ich noch genau herausfinden, was mich wirklich glücklich macht, aber vor allem muss ich anfangen, es zuzulassen. Glücklichsein ist manchmal das Schwerste auf der Welt. Jedenfalls in meiner Welt. Doch wenn ich mich bewusst umschaue, habe ich eigentlich allen Grund zum Glücklichsein: Freunde und Familie, die für mich da sind und die mich lieben, ein Studiengang, der mich erfüllt und etwas Geld, um eventuelle Löcher mit Schokolade stopfen zu können.

Das Herz. Ein Organ, das lebenslänglich dazu verurteilt ist, Blut durch unsere Adern zu pumpen. Versklavt zu einer Arbeitszeit von 24 Stunden und verdonnert zur Einhaltung der 120-zu-80-Blutdruck Vorschrift, schlägt es vor sich hin, ohne große Beachtung oder Anerkennung zu erhalten. Selten hören wir seinen tiefen dunklen Bumbum-Bumbum Schlägen aufmerksam zu und selten wollen wir auf eventuelle Unregelmäßigkeiten achtgeben. Obwohl es zum Dirigieren und Schlagzeugspielen geboren ist, schenken wir ihm keine Beachtung und meinen, der Kopf regle schon alles. Nur da oben spielt ja die Musik. Zu oft beschweren wir das Herz dann auch noch mit Sorgen und Kummer und zu oft verschließen wir es vor anderen oder vor uns selbst. Und was geschieht mit organischer Materie, die nie geliebt und fürsorglich behandelt wurde? Sie verwelkt, stirbt ab. Da grüßen mich die vielen Topfpflanzen aus der Biotonne, um die ich mich nicht recht gekümmert habe, weil kein grüner Daumen. Quatsch mit Soße! Einfach zu faul war ich da. Also liebes Herz, ich danke dir, dass du trotz allem, was ich dir zugefügt habe für mich da warst, dass du den Glauben an uns nicht verloren und für uns weitergeschlagen hast. Uff, das nimmt aber jetzt schon ein wenig die Züge von Gollum an! Wobei, selbst der konnte ja auf bestimmte Weise mit sich selbst in einer dreckigen dunklen Höhle leben. Ich werde jetzt aber schrittweise aus der Höhle rausgehen, mit der einen Hand mein Herz halten und die andere offen und mutig dem Leben hinhalten. Mit dem Gefühl, stärker zu sein, als mein Hirn es mir weiß machen will und mit dem Wissen, dass es in dieser Welt Haltestellen zum Aufpumpen gibt!

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