Träum schön

03.06.2024

Ein Tagebucheintrag über Bube, Dame, König, Sex und Sigmund Freud…

War das eine wilde Nacht! Erschöpft, verschwitzt und so unrein wachte ich heute auf. Die ersten Minuten bemühte ich mich klarzukriegen, wo ich überhaupt war. Völlige Desorientierung, nichts hielt ich für real oder war mir bekannt. Alles um mich herum war so fern, verschwommen und doch war ich tief bei mir. Von meiner Körpermitte aus spürte ich ein sehr starkes, den trockenen Hals hochsteigendes Gefühl absoluter Befriedigung. Dann ratterte es allmählich. Es war wieder eine Nacht mit endlosen, enorm realitätsnahen und feuchten Träumen gewesen. Schwerfällig setzte ich mich aufrecht aufs Bett und wie immer, konnte ich mich bis ins kleinste Detail an meinen Traum erinnern. Als wäre ich immer noch ein Teil davon, als würde der Film niemals aufhören, als gäbe es keinen Morgen, der dem Ganzen ein Ende setzen könnte. Wie schaffen es nur andere, sich nicht an die Träume zu erinnern? Mein Leben wäre um einiges leichter. Denn zu oft kommen mir in diesen Welten Menschen entgegen, mit denen ich doch eigentlich abgeschlossen hatte, die ich glaubte, verdaut zu haben. "Aber nö, nichts da, das wird alles nochmal schön wiedergekäut und du wirst nochmals so richtig durchgenommen" – denkt sich bestimmt mein Unbewusstes oder Unterbewusstsein, wie genau die richtige Bezeichnung auch sein mag. Und mit "Durchnehmen" meine ich auch durchnehmen. So fühlte ich mich. Einerseits unglaublich wohl, frei, mit mir und der Welt im Reinen. Ein Pumpen purer warmer Energie von Kopf bis Fuß. Andererseits wurde mir vor lauter betrübten und verzweifelten Gedanken so übel und ich fragte mich, was will mir der Traum sagen? Was ist da falsch in meinem Innern? Neben all den Fragen dann die Erkenntnis, okay, irgendwas ist wohl doch nicht geheilt, irgendwas habe ich wohl doch nicht verarbeitet. Plus, der stechend schmerzende Vorwurf, du blöde Kuh, hör endlich auf mit dieser Verdrängung deiner Gefühle! Ja prima, wenn das nicht ein wunderbarer "Morgen danach" war. Und dieses Mal konnte ich nicht mal dem Vollmond die Schuld in die Schühchen schieben, denn der Mistkerl war in seinem ich-nehme-ab-Modus. Zombieartig bewegte ich mich vom Bett zum Wasserkocher, kam mit Tee bewaffnet zurück, drückte auf Play und fand mich in meinem Traum wieder ein…

Wir saßen in einer Umgebung, die dem Pub von vorletzter Woche ähnelte. Er schaute mir tief in die Augen und sprach zu mir. Dabei nahm ich ein Gefühl von Sicherheit wahr. Anders als sonst im wachen Zustand, wo mir bei jedem Gedanken an ihn ein Schuldgefühl nach dem anderen hochkommt. Er meinte, er würde mir verzeihen, er könne mich verstehen und er wolle uns nicht aufgeben. Wir gingen einen grünen Weg entlang, ohne uns zu berühren. Zunächst jedenfalls. Denn ich erinnerte mich, wie er mich mit einem Mal gegen einen Baum oder gegen eine braune Wand drückte und mir den Kuss meines Lebens gab. Es war ein leidenschaftlicher, heißer und seelentiefer Moment, der sogar noch im wachen Geisteszustand mein Herz und andere erogene Zonen zum Glühen und Brennen brachte. Ein Kuss der Wiedergutmachung, der Versöhnung, der Befreiung? Danach sah ich hinter mich und nahm den anderen wahr. Jener, den ich heute noch sehe und den ich weiterhin nur aus reiner Lust und Spaß am Sex treffe. Dieser eine, für den ich nie Liebesgefühle hatte, der stand plötzlich hinter mir. Und direkt vor mir der, bei dem ich das erste Mal nach einer langen Zeit mehr von mir öffnete als bloß das Höschen, wo ich deutlich mehr von mir preisgab und wo ich begriff, dass mein Herz doch noch zum Schlagen fähig war. Dort stand ich nun. Zwischen dem seelenverwandten Herzbuben und dem absolut heißem Sex-Ass. Doch erschien der grandiose Hengst hinter mir garnicht so, wie er eigentlich im realen Leben war. Nein, im Traum war er anscheinend zum ernsthaften Beziehungstyp mutiert, nahm mich bei der Hand und zog mich von meinem Gegenüber weg. Ich blickte zu diesem hin, versuchte ein "Lebewohl" hervorzubringen, doch es kam kein Ton aus mir heraus. Er nickte mir mit einem sanften Lächeln zu. Ich ließ ihn stehen, ging mit dem anderen weiter und fühlte mich gut.

Nach dieser szenischen Aufschlüsselung meines Traumes kam ich nicht umhin, einen Blick in mein Tageshoroskop zu werfen: "Du bist bereit! Reiß die Mauern ein, steige über diese und schließe Frieden mit dir selbst! Es scheint schwer zu sein, deine eigenen Grenzen wahrzunehmen und dich vom Schmerz, der dir zugeführt wurde, loszumachen. Du bist kein schlechter Mensch, nur weil du Ja zu dir sagst." Aha, also war das alles jetzt ein Akt der Selbstfindung, oder was? Aber so gefunden fühlte ich mich ganz und garnicht. Im Gegenteil, eher verloren, wie noch nie zuvor. Dann fragte ich mich, war ich nach diesem Traum immer noch die, die freudig locker sämtliche Betten Probe lag, die kein Interesse an Herzschmerz Dramen hatte und die Angst vor tieferer Bindung zeigte? Oder wollte mir der Traum klarmachen, dass ich nun bereit für was Neues sei? Oder hieß es etwa, dass der Bube mir immer noch fehlte? Oder dass die Trennung von ihm ein Fehler war? Oder wollte ich von dem Ass nun doch mehr, als ich immer dachte? Oder war alles nur ein Traum?...

An Sigmund Freuds Die Traumdeutung wagte ich mich an jenem Morgen nicht heran. Seine Analyse hätte mir bestimmt nur noch mehr den Kopf zerbrochen und meine Welt erschüttert. Aber hier und da erkenne ich mich schon in seinen Thesen wieder. Alles, was wir tagsüber auf- und wahrnehmen, was wir tagtäglich fühlen und denken, das muss doch irgendwo seinen Platz finden und dann verarbeitet werden. Aber wann nur nimmt meine Verarbeitung von bestimmten Dingen endlich ein Ende?! Erfahrungen, die prägen einen manchmal auf enorme Art und Weise, besonders die schlechten davon. Zu oft ertappe ich mich dabei, wie stark ich eigentlich in diesem Schlammbad der Negativität und Verletzung versinke und es ärgert mich, dass mir ab und zu dieses Schlammpeeling auch noch sowas wie Freude bereitet. Ganz tief in sich vergraben zu sein, den Schmerz so richtig auszubaden, auszukosten und vor sich hin zu leiden, wie ein Junkie im Dauerrausch. Prägung ist das eine, doch wann finde ich mich in den Prozess des "aus der Erfahrung lernen" ein? Wie würden dann meine Träume aussehen? Hoffentlich ohne die Geister vergangener Schmerzen… das befriedigte Aufwachgefühl kann aber gerne bleiben!   

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