Und täglich grüßt der Periodenwecker

18.10.2023

Dienstag, 20Uhr, draußen 0° Celsius. Im Bett liegend, zwei Kerzen an, Tee, eine Folge Golden Girls, vierter Tag überfällig, Panik. …

Der Kopf ist an. Von oben bis hin zu den Zehen durchläuft mich ein kalter Schauer. Wirr vom Rumrechnen, Augenschmerzen vom hellen Handy und Magenzerren vor lauter Anspannung, gerate ich in Panik. Wen kann ich anrufen, wem kann ich davon überhaupt erzählen, falls es passiert, aber es ist ja schon passiert, oder nicht? Mach ich mir umsonst Stress? Jetzt komm mal wieder runter. Was bringt dir´s, morgen biste schlauer, einfach abwarten. Warten, warten, warten…aber so viele Tage sind her, nur an diesem Tag hätte es passieren können, aber da habe ich die Pille ja gewechselt, und wenn mein Kalender falsch gerechnet hat, wenn die Pille nie gewirkt hat? - Hallo! Stopp! - Scheiße, du blöde Kuh, wie dumm und naiv kannst du eigentlich sein!? Mama, Hilfe!!! Und wenns so ist, was dann? Ich geh im Kopf die verschiedensten Szenarien durch: auf dem Klo sitzend mit den kleinen Stäbchen oder breitbeinig auf dem Stuhl mit dem Stab der Frauenärztin in der Muschi oder in den Armen von Freundinnen – bloß welchen? Wen kann ich einweihen? – allein dahockend, heulend, nicht atmend oder im Zug sitzend auf dem Weg zu meiner Mama – aber was bin ich dann bloß für eine Enttäuschung, wird sie auch Angst haben, wird sie für mich da sein, kann sie mir überhaupt helfen oder hagelt es Vorwürfe? – oder aber ich wache doch am nächsten Morgen blutverschmiert zwischen den Beinen auf. Himmel, nichts lieber als Das!! Zweimal lauf ich diese Nacht aufs Klo. Verdammter Lavendel-Schlaftee! Und immer noch farblos da unten. 6Uhr früh, die Schleusen sind immer noch zu, kein Blutstrom, nicht mal ein Spritzer. Na gut Gebärmutterchen, dann auf geht's mit uns heute zum DM. Ah, und ich sehe, neues Klopapier brauchen wir auch…

Da steh ich nun. Neben mir ein altes Mütterchen, welches verlegen zu mir rüber schaut – sieht dies Mädel auf die Kondome, Fruchtriegel oder Gott bewahre auf die Tests? –. Tja, ich weiß nicht einmal, welchem Typen ich gratulieren oder gleich verhauen könnte. Shit happens... oh da war ja noch das ausgehende Klopapier! Und jetzt darf ich auch noch auswählen, wie viel mich dieser Shit kostet. Nehme ich den blauen Test oder doch lieber den in Pink, nur einen oder doch das Siebener Pack, mit Wochenanzeige aber verdammte zehn Euro teurer, – Ähm Hallo? Auch Studentinnen oder Schülerinnen werden schwanger! Der bekannte Werbungstest oder doch einfach ein No-name-Produkt? Her je, greif doch einfach zu, haste ja bei dem Typen auch so gemacht. Aber welcher war es denn eigentlich genau? Mm, und wenn ich doch direkt zur Frauenärztin gehen würde? Dann spare ich mir die Blicke an der Kasse. Dann bräuchte ich nicht in der WG erklären, warum da ein Schwangerschaftstest im Mülleimer liegt. Dann… dann… ach verdammt noch eins, jetzt hol dir die Packung und dann nichts wie raus hier! Nach einem düsteren blicklosen "Grüß Gott" an der Kasse und fünf Euro weniger in der Tasche, flitz ich raus, atme tief die kalte Herbstluft ein, sehe den Nebel aus meinem Mund strömen und kann an nichts anderes mehr denken als an unser Klo. Wie schön doch eigentlich diese Schüssel ist, wenn man mal drüber nachdenkt. Und wie oft ich darauf schon gesessen habe. Wow! Ganze zwei schwangerschaftsfreie Gedanken! Hoffentlich stehen mir auch noch schwangerschaftsfreie Lebenstage bevor!!! Wieder ein kalter nasser Schweiß im Nacken und ein pochendes Herz. Lag vielleicht aber an dem Sprint über die vielen Stufen auf dem Weg zur Bahn.

So, Jacke Schal aus, rein ins Badezimmer, auf die heißgeliebte Kloschüssel, pinke Packung auf und Achtung fertig los! Vor Aufregung krieg ich nicht mal einen sauberen Pinkelstrahl hin. Sitz ich schief? Rutsche hin und her, wie ein Baby, dass sich endlich mal da unten erforschen will. Hätte ich mal mehr über Verhütung und Pille geforscht, dann säße ich verdammt noch eins nicht hier, um mir mühevoll beim Pinkeln zuzuschauen. Wird der Teststreifen nass? Wie lange nochmal? Ah ja, 10 Sekunden. Oh nein, habe ich überhaupt noch so viel in der Blase? Alles ordentlich abgewischt, den klitschnassen Stab wieder in die Hülle gesteckt, Test auf den Boden gelegt, Handy Timer auf drei Minuten. - Das sieht alles so aus, wie aus dem einen Film. Und so fühl ich mich auch. Wie im falschen Film! - Auf was warte ich eigentlich noch so innerhalb von einer Minute? Ach ja, eine Minute Plank. Uff, das erste Mal, wo ich diese Clownsübung dem Warten auf einen beschissenen zweiten Streifen vorziehen würde. Ich wandere ins Zimmer zurück, trink einen Schluck, blick aufs Handy, 50 Sekunden. Ich lese mir nochmal den Wisch durch: nach 2-3 Tagen erneut testen, falls nicht-schwanger. – Ihr Aasgeier, ohne mich! – Handy klingelt. Test einstreifig negativ. Jupp, okay, habe ich mir doch gleich gedacht. (tiefes Ausatmen!!) Dass ich so eine Situation bewältigen musste, war das Unangenehmste, das ich bisher durchlebt habe. Warum ist es jungen Frauen und Mädchen nicht möglich, ohne Bauchschmerzen und Scham ihre Hygieneartikel oder diese Tests einzukaufen?

Der Kopf ist aus. Die Gebärmutter ist leer. 12Uhr mittags, jetzt koch ich was und tauche endlich wieder in mein altes, so wunderbar freies Leben ein! Zwar Fünf Euro ärmer, doch dafür umso erfahrungsreicher! 

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